Die Theorie der Cleavages ist eine Theorie im Rahmen der Wahlforschung, welche auf die beiden Politikwissenschaftler Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan zurückgeht. Diese Theorie wurde im Jahre 1967 entwickelt und unternimmt den Versuch, Wahlergebnisse in Europa anhand von langfristigen Konfliktlinien innerhalb der Gesellschaft zu erklären. Lange Zeit galt die Theorie der Cleavages als die wichtigste Theorie von nationalen Parteiensystemen. Aufgrund von zahlreichen gesellschaftlichen Umbrüchen hat sie jedoch in den letzten beiden Jahrzehnten merklich an Bedeutung verloren.
Vier grundlegende Konfliktlinien
Laut Aussagen von Lipset und Rokkan haben sich die Parteiensysteme am Ende des 19. Jahrhunderts anhand von vier grundlegenden und dauerhaften Konfliktlinien innerhalb der Gesellschaft herausgebildet.
Diese Konfliktlinien bedingen dann verschiedene Interessen- und Wertekonflikte innerhalb der einzelnen sozialen Gruppen, aus denen schließlich die Parteien entstanden sind. Diese Interessenskonflikte bestehen zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Kirche und Staat, zwischen Stadt und Land und zwischen dem Zentrum und der Peripherie (Umland). Dabei wird davon ausgegangen, dass in der Bundesrepublik Deutschland der Nachkriegszeit vor allem die Konflikte zwischen Kapital und Arbeit sowie zwischen Kirche und Staat eine zentrale Rolle gespielt haben. Der Konflikt zwischen Kirche und Staat machte sich vor allem daran fest, wer das Erziehungs- und Bildungsmonopol in Deutschland bekommen sollte. Dieses war gleichbedeutend mit der Deutungshoheit in der Schulbildung. Die CDU/CSU sprach sich dabei für konfessionell gebundene Schulen aus, alle anderen Parteien bevorzugten die staatlichen Schulen, die von der Kirche unabhängig waren.
Der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit hatte vor allem eine Trennlinie zwischen Union und FDP auf der einen und KPD und SPD auf der anderen Seite zur Folge. Union und FDP galten dabei als Vertreter der besitzenden Klassen und bevorzugten das Gesellschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft. Im Gegensatz dazu standen die SPD und die KPD für einen sozialistischen Gesellschaftsansatz. Die SPD rückte jedoch immer mehr davon ab und befürwortete schießlich in ihrem Godesberger Programm von 1959 die soziale Marktwirtschaft. Die im Jahre 1980 gegründeten Grünen begründeten schließlich eine neue Konfliktlinie zwischen herkömmlichen und postmodernen politischen Werten.
Kritik an der Theorie der Cleavages
Durch die Auflösung der traditionellen Parteibindungen in den letzten Jahren haben sich die Grenzen der Cleavages gezeigt. Diese Theorie hat keine ausreichenden Erklärungsansätze für die geringer werdenden Parteibindungen sowie für die Phänomene des Nichtwählens und der Protestwahl.